Wonder Woman

Die wundersame herkunft einer wunderbaren Ikone

Sie ist eine der drei Figuren aus dem Hause DC mit dem größten Wiedererkennungswert, womöglich findet sie sich sogar unter den Top 3 aller Superhelden wieder, mit Bestimmtheit im oberen Viertel.

Aber Wonder Woman ist mehr als das, ob man sie als Charakter nun faszinierend oder eher öde findet. Zu letzter Kategorie zähle ich auch mich, vielleicht habe ich aber auch einfach die falschen Comic-Heftchen gelesen. Dennoch komme ich nicht umhin, jedes Mal, wenn der geradezu theatralische Name 'Wonder Woman' fällt, von ihrer Herkunftsgeschichte zu erzählen, passenderweise mindestens genauso wundersam ist, wie die amazonische Kriegerin.

Wonder Woman (2017) © Warner Bros.
Wonder Woman (2017) © Warner Bros.

So viel sei dazu gesagt... die Tagline meines Videos zu diesem Thema ist 'Fifty Shades of Wonder Woman'. Nicht etwa, weil besagte Dame so facettenreich ist, sondern weil ihr Schöpfer, sagen wir, interessante Neigungen hatte.

Unter dem zugegeben nicht ganz so nach popkulturellen Anklang schreienden Namen 'Suprema'  wurde die Wunder-Frau vom Psychologen William Moulton Marston ins Leben gerufen.

Marston war nicht nur Akademiker, sondern auch an der Erfindung des Lügendetektors/Polygraphen beteiligt (daher auch das ‘Lasso der Wahrheit’, mit dem Diana ihre Kontrahenten fesselt, um sie ins Kreuzverhör zu nehmen), sondern vor allen Dingen ein bekennender Comicfan.

Und das zu einer Zeit, in der Comics nicht gerade ein hohes Ansehen genossen. Comics galten als billige Unterhaltung für Kinder und es gab immer mehr Stimmen, die sogar behaupteten, die Hefte könnten einen schlechten Einfluss auf Kinder haben,  und sie durch verherrlichte Gewalt verderben. Doch Marston sah ein ganz anderes Potenzial in Comics. Ein mächtiges, unnachahmbares Potenzial:

Mithilfe des richtigen Superhelden, der gute Werte und Tugenden, wie Ehre, Liebe, Stärke und Ehrlichkeit repräsentiert, konnten Comics das ultimative Medium sein, um Kinder auf die bestmögliche Art zu erziehen.

Wonder Woman William Moulton Marston
All-Star Comic No. 8 (1941) © DC Comics

Sein Superheld sollte genau das sein. Stark und ehrlich sein, aber auch liebevoll – das ultimative Vorbild.

Nun war Marston ebenfalls ein bekennender Feminist und somit der Meinung, dass Frauen die besseren Menschen seien und alle Konflikte gelöst wären, wenn Frauen auf ihre liebevolle Art die Welt lenken würden. Damit forderte er ganz klar die Ablösung der scheinbar destruktiven Männer-Herrschaft durch einen friedenstiftendes Matriachat.

 

Als DC Comics, damals repräsentiert von Herausgeber Max Gaines, den renommierten Psychologen bat, für sie einen Superhelden zu erschaffen, der Anerkennung in der Öffentlichkeit fand, beriet sich Marston mit seiner Ehefrau Elizabeth Holloway Marston. Die wiederum gab ihm den Anstoß, ein weiblichen Helden zu schaffen. Marston selbst schrieb:

 

‘Nichtmal Mädchen wollen Mädchen sein, solange unsere weiblichen Stereotype nicht mit Macht, Stärke und Kraft verbunden sind… Die naheliegende Lösung ist es, einen weiblichen Charakter mit den Stärken von Superman und dem Reiz der guten und schönen Frau zu schaffen.’

 

Und als visuelle Inspiration für diese 'Wonder Woman' diente niemand anderes als Marstons Assistentin Olive Byrne, die außerdem seine und Elizabeths gemeinsame Geliebte war.

Olive Byrne, Elizabeth Marston & William Marston
Olive Byrne, Elizabeth Marston & William Marston

Die von Wonder Woman getragenen Armreifen sind dabei eine Reminiszenz, ein Merkmal, dass Marston früh bei den ersten Entwürfen des Charakters intergierte und an die von Byrne getragenen Armreifen erinnert.

 

Wonder Woman feierte ihr Debüt folglich im Oktober 1941 in All-Star Comics No. 8, als Zweitstory in einem Heft, das hauptsächlich dem Superhelden-Team der Justice Society of America gewidmet war. Ihr erstes Cover schmückte sie ein Jahr darauf in Sensation Comics No. 1.

Diana war die Prinzessin der Paradies-Insel, einer Insel, die ausschließlich von Amazonen beheimatetet war, kriegerischen Frauen, die jedoch eine friedvolle Gesellschaft, fernab von der Welt der Männer, gegründet hatten und seit Jahrtausenden Frieden bewahrten. Die Paradies-Insel war Marstons Entwurf einer perfekten Gesellschaft, in der Frauen an der Macht waren. Allerdings gab es da noch eine Sache, die unter den Amazonen hoch angesehen, von den großen Köpfen bei DC jedoch weniger gern gesehen war.

Wer die unter dem Pseudonym Charles Moulton verfassten Comics liest, dem fällt schnell der nicht gerade geringe Anteil der Demonstration von beinahe schon anmutigen Fesselkünsten auf. Bondage war praktisch das Aushänge-Schild der Wonder Woman-Hefte, was wohlkaum verwunderlich sein dürfte bei einer Heldin, deren Lieblingswaffe ein schickes Seil ist, dass bei Kontakt erzwingt, die Wahrheit zu sagen.

Für Marston stellte Bondage nicht nur in seinem Privatleben eine Offenbarung da. Seiner Meinung nach sollte sich jeder regelmäßig der Unterwerfung hingeben, da dies seiner Meinung nach den Charakter und nicht zuletzt eine friedliche Gesellschaft festigen sollte. Er schrieb dazu:

 

'Nur, wenn wir das Aufgeben der Selbstkontrolle an andere angenehmer findet als die freie Selbstdarstellung in menschlichen Beziehungen, können wir auf eine stabile und friedliche Gesellschaft hoffen. [...] Sich anderen hinzugeben kann unmöglich schön sein ohne ein starkes erotisches Element.'

 

Bondage sollte nach Marston also dazu ermutigen, den ureigenen Egoismus und die Sucht nach Kontrolle aufzugeben, zum Wohle aller. Kein Wunder also, das Fesselpiele ein so fest verankertes Motiv in den frühen Stories waren. Ein Motiv wie ein zweischneidiges Schwert:

Die Comic-Schurken (also hauptsächlich die Nazis) waren die Vertreter eines destruktiven Sadismus, sie wollten andere demütigen. Wonder Woman und die andreren Amazonen hingegen spiegelten Marston’s Vorstellung der gesunden Fesselspiele wieder.

Ein Paradebeispiel dafür ist wahrscheinlich die Story, in der Wonder Woman einige Mädchen aus der Gefangenschaft von Nazis befreite, indem sie sich selbst fesseln ließ, um ihnen zu zeigen, dass es in Ordnung ist zu fliehen. Außerdem konnte sie so ein Auge auf die Nazis und ihre Pläne werfen. In einem anderen Heft befreite sie einige Sklavenmädchen aus der Gefangenschaft on Hitlers Vertrauten Paula von Gunther, die sich aber so sehr an das Leben in Ketten gewöhnt hatten, dass sie weiterhin ihr Sklavendasein auf der Paradies-Insel forsetzen durften – aber diesmal unter der leibevollen Autorität der Amazonen.

Diese, sagen wir, interessante Philosophie verlieh den Geschichten einen gewissen Charme und Würze. Als Marston allerdings 1947 das Zeitliche segnete, verschwand die leicht sexuelle Spannung aus den Wonder Woman-Comics, der Charakter wurde langweilig, die Verkaufszahlen fielen ein. Und letztenendes wurde die Figur von DC derart vergewaltigt, dass sie als Sidekick in ihrer eigenen Serie degradiert wurde. Zum Sidekick eines asiatischen Stereotyps eines Kampfsport-Senseis, an den sich heute keiner mehr erinnert.

Mittlerweile hat Wonder Woman Ikonen-Status erlangt und hat einige fantastische


Stories hervorgebracht. Einer Story, die ich euch sehr empfehlen kann ist Grant Morrisons 'Wonder Woman: Erde Eins'-Band, der sich eng an Marstons Vision der Amazonin orientiert.

 

Heute ist Wonder Woman zu einem Symbol für starke Frauen und liebevolle Weiblichkeit geworden, eine Leitfigur des Feminismus. Mehr hätte sich William Moulton Marston gar nicht wünschen können. Diese faszinierende Geschichte hat es damit auch mehr als verdient, in Filmform ein neues Publikum zu erreichen: 'Professor Marston & the Wonder Women' erscheint diesen Herbst mit Luke Evans in der Hauptrolle.

 

Von Jonas Helmerichs.


Mit freundlicher Unterstüzung von Amazon.