Aus MaBuGu's Comickiste

X-FORCE

Aloha meine Lieben, könnt ihr euch noch an die 90er erinnern? Eine Zeit, in der Muskelmasse mindestens 70% des Charakters ausmachen musste, überall Wummen und ähnliches Spielzeug zu sehen war, es gefühlt zwanzig Mutantenserien pro Monat gab und das alles mit actionreichen Panels in knalligen Farben, die einem schneller ins Gesicht springen als man 'Specialcover' sagen kann. Einer der wichtigsten Vertreter der damaligen Zeit war die Serie X-FORCE. Ein knallhartes Mutantenteam unter der Führung von Cable, welches schwer bewaffnet durch die Comicwelt zog... und bereit war zu töten.

Naja, aber irgendwann merkte Marvel auch, dass der Kahn den Bach runter geht und dann hat man die Serie eben komplett umstrukturiert. Womit wir dann auch schon beim vorliegenden Comic mit dem schlichten Titel X-Force wären. Dabei handelt es sich um den 39ten Band aus der langlebigen aber inzwischen eingestellten Reihe Marvel Exklusiv von Panini. In dieser wurden neben diversen Klassikern wie Kraven's letzte Jagd  (Link zur sexy Analyse irgendwann hier), MARVELS (von Alex Ross), Daredevil: Der Mann ohne Furcht und Weapon X auch immer mal wieder kleinere Geheimtipps und Serien veröffentlicht, die allein mit ihrem Namen nicht die nötige Aufmerksamkeit erhascht hätten. 
Im vorliegenden Band enthalten sind die X-Force Ausgaben 116 bis 122 aus dem kurz danach endendem ersten Volume, welche dann in die Serie X-Statix überging. 
Geschrieben wurde das Ganze von Peter Milligan und die Zeichnungen stammen von Mike Allred. Letzterer erreichte größere Bekanntheit durch seine Arbeiten an Madman, aber auch durch seinen Marvel NOW! (bzw. All-New All-Different Marvel)-Run an Silver Surfer


Inhaltlich geht es um ein von den Medien gefeiertes Team von Mutanten mit oft wechselnder Besetzung, welches allerdings nicht vordergründig als Helfer der Menschheit auftritt, sondern eher an eine typische Reality TV-Sendung angelehnt ist. Natürlich mit allen damit einhergehenden Kontroversen, Skandalen, inneren Machtkämpfen und sonstigen Dramen, die einem in der Welt des Fernsehens irgendwie Aufmerksamkeit verschaffen könnten.

Was mich sofort an dem Band fasziniert hat, war der gefühlt krasse Gegensatz zur X-Force, wie man sie eigentlich kennt. Hier haben wir kein Team voll muskelbepackter Helden mit schweren Wummen, die sich durch ihre Ausgaben prügeln. Wir haben keine komplizierten Verbindungen zu anderen Mutantenserien, die einem gerne mal dazu zwingen mehrere Ausgaben pro Monat zu kaufen, damit man auch ja nix verpasst. Und von so etwas wie einem festen Team, können wir hier auch nicht wirklich sprechen. Selten waren mir Charaktere so gleichgültig und nichtssagend in einem Comic, dass ich sie schon wenige Seiten nach ihrem Verschwinden komplett aus meinem Gedächtnis verbannt hatte... und noch seltener gefiel mir das so gut wie hier.

Schon die erste Ausgabe zeigt uns, dass die 'neue' X-Force ein Team ist, in dem gerne mal ein Charakter oder gleich mehrere sterben, nur um kurze Zeit später einfach ersetzt zu werden. Trauer um die Verstorbenen? Gibt es in der schnelllebigen Zeit der Mainstream-Medien nicht! Stattdessen lieber neues Merch auf den Markt bringen im teameigenen Shop und die Sticheleien der neuen Teammitglieder untereinander genießen. Drogenabstürze inklusive und das alles natürlich auf Kamera festgehalten!
Gewalt ist also doch wie auch in früheren Ausgaben der Serie immer noch ein Thema. Allerdings liefert hier Mike Allred eine ganz eigene Interpretation davon. Schon fast ironisch wirkt es, wenn in seinem knallig colorierten und retromäßigen Stil die eher weniger muskulös wirkenden Charaktere sterbend auf dem Boden liegen, während ihre Gedärme aus ihnen herausquellen, sie verbrennen, oder uns sonstige trashig, splattermäßigen Bilder geliefert werden.

Man könnte fast denken, dass das Kreativteam sich über die frühere exzessive Nutzung von Gewalt in Comics und der angeblichen gesellschaftlichen Abstumpfung dieser gegenüber lustig machen würde. Dazu passen würden auch die mitunter sehr skurrilen Mutantenkräfte einzelner Charaktere, die stellenweise weniger cool sind, als bei einem Wolverine, Gambit, oder Magneto, sondern eher verstörend. Werke von und mit Allred bringen eben immer einen recht speziellen Humor mit sich. Sowas kann man mögen, muss man aber nicht. Allerdings kann dieser alleine wohl noch keine Serie tragen. 
Dementsprechend kristallisiert sich, trotz all der sterbenden Mutanten nach und nach ein kleiner, aber dafür irgendwie umso festerer Kern des Teams heraus. Dabei geht es dann auch plötzlich nicht mehr vorrangig um irgendwelche Missionen, die zur reinen Selbstdarstellung in den Medien dienen. Es geht vielmehr um das Verhältnis der Charaktere zueinander mit all den dazugehörigen Problemen… aber auch die eigenen kommen nicht zu kurz.

Im Endeffekt arbeitet Peter Milligan dabei dann natürlich auch nur bekannte Stichpunkte der 'Comicstory-To Do-Liste' ab. Eine kleine Liebesbeziehung, die Vergangenheit der Charaktere, Streit um den Posten des Anführers, Verrat in den eigenen Reihen, etc. Alles ganz klassische Sachen, die man mitunter schon tausend mal gesehen hat. Doch warum macht das hier alles wieder so viel Spaß?

Schlussworte

Vielleicht ist es meine Vorliebe für solch soapige Elemente oder auch einfach die Tatsache, dass das Setting und der Stil von X-Force einfach mal eine wirklich ganz andere X-Serie bietet. Man muss nicht von bestimmten Schlüsselcharakteren wissen, was sie irgendwann mal vor etwa zehn Jahren mal an einem verregneten Dienstag gemacht haben, mit wem sie zusammen waren oder wie ihr Heldenname und bürgerliche Name ist. Man muss auch nicht jede x-beliebige kleine Nebenfigur kennen (vor allem da sie hier eh eher stirbt).
Dennoch fühlt es sich irgendwie nicht richtig an zu sagen, dass hierbei um ein allein für sich stehendes Werk handelt. Klar, es ist spielt mehrteilig abseits des allgemein bekannten Mutantenkosmos und funktioniert auch gut als in sich abgeschlossenes Anschauungsbeispiel für dessen skurrilere Seite. Allerdings markiert diese Neuinterpretation eines klassischen Teams auch einen Neubeginn, welcher schon nach ein paar weiteren Ausgaben zu einer neuen Serie führen sollte: Nämlich X-STATIX.  Auf Deutsch haben wir all das allerdings nicht mehr erlebt.

Was uns bleibt, ist die einfache Antwort von Peter Milligan und Mike Allred auf die Frage:

 

Was wäre, wenn wir Reality-TV und Superhelden in einen Topf schmeißen?

 

Von Dennis aka. MaBuGu.

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