Uncanny Inhumans Bd. 1

Marvel's neue Mutanten

Wie bereits in meiner Review zu dem ersten Band der neuen X-Men-Serie erwähnt, setzt Marvel alles daran, die Mutanten und das Superhelden-Team X-Men aus ihrem Universum zu tilgen und Platz für die Inhumans zu machen (an denen sie - im Gegensatz zu den X-Men - die Filmrechte besitzen).

Enttäuscht von Marvels offensichtlich kapitalorientierten Absichten und in Sorge wegen des langsamen, aber sicheren Dahinsiechens der Mutanten, schraubte ich meine Erwartungen an diesen Band sehr weit runter. Zugleich erwartete ich aber auch sehr viel, immerhin sollen diese Eindringlinge in die Fußstapfen meiner Marvel-Lieblinge treten.

Diese ambivalente Erwartungshaltung wurde nach der Lektüre von Uncanny Inhumans auf unerwartete Weise erfüllt: Der Comic ist fantastisch.

 

Die Ausgangslage ist mehr oder weniger die gleiche wie für die X-Men, mit dem Unterschied, dass es der Inhuman-Rasse im Gegensatz zu den Mutanten durch die allgegenwärtigen Terrigen-Nebel blendend  geht.

Überall auf der Welt entfalten neue Inhumans ihre Kräfte. Für diese "NuHumans" will die Königin der Inhumans, Medusa, kämpfen. Ähnlich wie Charles Xavier seinerzeit will sie eine gesunde Beziehung zwischen Mensch und Inhuman aufbauen.

Doch auch die durch die Terrigen-Nebel erkrankenden Mutanten sollen nicht zu kurz kommen. Aus diesem Grund sucht der X-Man Hank McCoy aka Beast zusammen mit den Inhumans nach einer Heilung für die Mutanten. Die menschliche Partei wird in diesem Band durch die Menschliche Fackel Johnny Storm vertreten, der früher zu den Fantastic Four gehörte. Nun darf er sich diplomatisch für die Mensch-Inhuman-Beziehung einsetzten. Daraus resultiert, dass er ein Techtelmechtel mit Königin Medusa beginnt (mit dessen Schwester er ganz nebenbei vor Jahren auch schon anbandelte).

Ihren Gatten Black Bolt hat Medusa vertrieben, da er mit der Terrigen-Bombe ihre Heimatsstadt zerstörte. Außerdem schloss der stumme König einen Pakt mit einem gefährlichen Gegner, um ihren gemeinsamen Sohn in Sicherheit zu wiegen. Und mit gefährlich meine ich den schlimmsten Sozipathen aller Zeiten. Genug Gründe für Medusa, ihren Mann zu hassen.

Uncanny Inhumans ist also in erster Linie ein Familien-Drama erster Güte. Verzwickt geht es bei dem Inhumans-Klan allemal zu. Diese Verbandelungen sind jedoch perfekt in Szene gesetzt und werden dramatisch auf den Höhepunkt aufgebaut. So sind auch alle Figuren in ihren Handlungen und Überzeugungen absolut glaubhaft dargestellt und die Dynamik zwischen diesen Akteuren wirkt äußerst lebensecht.

Dabei ist es auch sehr förderlich, dass einige der Nebencharaktere zuvor in einem One-Shot vorgestellt werden. Ohne diesen hätte man die beiden innerhalb der eigentlichen Geschichte kaum einordnen können.

Besonders interessant ist an Black Bolts Charakter auch, dass er sich ständig zwischen dem Wohl seiner Familie und dem seiner Spezies entscheiden muss. So zündete er beispielsweise die Terrigen-Bombe, um der Inhuman-Rasse neues Leben einzuhauchen. Dafür musste er allerdings die Heimatstadt seiner Familie opfern.

Der Autor Charles Soule leistet fantastische Arbeit sowohl beim Storytelling, als auch bei der Charakterbeschreibung. Das Wichtigste ist jedoch, dass er die Charaktere zum treibenden Faktor der Story macht, die zwar auch höchstinteressant, aber neben den dreidimensionalen und menschlichen Charakteren eher nebensächlich ist. Der Lesefluss ist ebenfalls ausgezeichnet und der Spannungsbogen bis auf einige wenige schwächelnde Stellen perfekt gezogen. Der Entschluss, mal wieder eine komplexe Zeitreisestory zu nehmen, ist weder etwas Neues, noch ein einfaches Unterfangen, doch Soule erzählt es plausibel und nachvollziehbar.

Zum Zeichenstil kann man eigentlich nur eines sagen: Steve McNiven. Der Star-Zeichner, der auch für Werke wie Civil War und Old Man Logan verantwortlich ist, zählt zu meinen Lieblingszeichnern und ist ohne Zweifel eines der begabtesten Talente in der Comic-Szene. Fand ich seine Actionszenen in Civil War noch etwas "steif", so kommen sie in diesem Band noch viel besser zur Geltung, sind übersichtlich inszeniert und einfallsreich. McNiven schafft mal wieder etwas schlichtweg Schönes. Nur Black Bolts immer leicht verklemmter Gesichtsausdruck wirkt zumeist einfallslos immer auf dieselbe Weise wiederholt, was etwas schade ist, gerade bei einer Figur, die keine Stimme hat, um sich adäquat ausdrücken.

Fazit

Kurzum gelingt den Inhumans ein fantastisches Debüt mit diesem Band, der übrigens jedem zu empfehlen ist, der noch nie ein Inhumans-Comic in der Hand hatte. Es ist ein extrem guter Einstieg, da er die Charaktere exzellent vorstellt, eine gelungene Einführung in den neuen Status Quo bietet und darüber hinaus einen nie dagewesenen Einblick in die Geschichte und die Kultur der Inhumans gewährt.

Vor allem aber macht dieser erste Band Hunger auf mehr. Und nach dem Lesen war eines klar: Die Inhumans können die X-Men zwar niemals ersetzen, aber wenn die X-Men von der Bildfläche verschwinden, haben die Inhumans es nicht schwer, die Lücke in meinem Herzen zu füllen.

Von Jonas Helmerichs


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